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Leseprobe aus
The Moment we Hope

 

Kapitel 1

 

Roxy

 

»Protzbude«, nuschelt Logan zum wiederholten Mal und ich verdrehe die Augen.

  Den ganzen Tag schon versuche ich, seine blöden Kommentare und den genervten Gesichtsausdruck über die bevorstehende Party zu ignorieren, und langsam fällt es mir schwer. Ungeduldig beobachte ich die Anzeige im Fahrstuhl und frage mich einmal mehr, warum er unbedingt mitwollte, wenn ihm alles gegen den Strich geht. Angefangen bei dem Geschenk, das ich für Ally und Blake habe, über die Wahl meiner Klamotten, bis hin zu meiner bloßen Vorfreude, meine beste Freundin wiederzusehen. Die roten Zahlen auf dem Display steigen im Eiltempo in die Höhe. Etage um Etage nähern wir uns der Wohnung und nichts hält mich in diesem Moment davon ab, zu ihr zu gelangen. Nicht einmal Logans schlechte Laune.

  »Wachmann und Gästeliste, um aus einer Tiefgarage nach oben zu fahren. Selbst den Knopf im Aufzug darf man nicht drücken«, mault er weiter, was mich für einen Augenblick die Augen schließen lässt.

  »Es gibt nun mal einen Security-Dienst in diesem Gebäude und niemand kann unangemeldet in die oberen Etagen. Ist doch super. Als Bewohner kommt man übrigens direkt mit einem Code hinauf. Also kein Grund zum Nörgeln.«

  Er schnaubt abfällig und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als wolle er fragen, ob das mein Ernst sei. Zum Glück öffnen sich in diesem Moment die Türen und das leise Wummern von Musik ist zu hören.

  Ohne auf seine Mimik einzugehen, deute ich auf den riesigen verpackten Karton, der zwischen uns auf dem Boden steht. Er reicht mir bis zur Hüfte. »Soll ich dir jetzt mit dem Geschenk helfen?«, frage ich und mache Anstalten, den Bilderrahmen unter meinen Ellbogen zu klemmen, während ich den übergroßen Blumenstrauß von mir weghalte, damit das Wasser nicht auf meine weiße Plissee-Hose tropft.

  »Nein. Das letzte Stück schaffe ich auch noch allein.«

  »Wie du willst«, antworte ich und betrete den eleganten Flur.

  Sein dunkler Boden mit den hellen Wänden bildet einen tollen Kontrast, genauso wie die schwarz-weißen Bilder der Stadt, die zwischen den beiden und einzigen Wohnungstüren auf dieser Etage aufgehängt sind. Ich steuere die rechte an, warte, bis Logan bei mir ist und lächle ihn aufgeregt an.

  Er schüttelt den Kopf und legt mir eine Hand auf den Rücken. »Man könnte meinen, du hättest Ally seit Jahren nicht mehr gesehen. Dabei war es erst gestern.«

  »Ist eine Ewigkeit!« Mit einer raschen Bewegung drücke ich auf den Klingelknopf.

  Wenige Sekunden später wird die Tür von innen aufgerissen und augenblicklich hallt uns die Musik entgegen, Gelächter und Stimmengewirr dringen zu uns. Ally strahlt mich an. Neben ihr steht Rookie, der sofort seinen Freudentanz aufführt, als er mich entdeckt. Winselnd und bellend stürmt er auf mich zu, umrundet meine Beine und lässt sich prompt auf den Rücken fallen, damit ich ihn kraule.

  »Du musst kurz warten, Rookie. Erst ist Ally dran.«

  Unbeirrt klopft sein Schwanz auf den Holzfußboden, während ich meine beste Freundin an mich drücke und ihr einen Kuss auf die Wange gebe. Etwas, das ich mit dieser Intensität erst seit wenigen Monaten tun darf, und jedes Mal überkommt mich eine überwältigende Dankbarkeit.

  »Du erdrückst mich«, meint Ally glucksend, tätschelt mir den Rücken und löst sich.

  »Nicht meine Schuld, wenn du gefühlt ans andere Ende der Stadt ziehst.«

  »Es sind nur zehn Minuten mit dem Fahrrad.«

  Blake taucht mit einem breiten Grinsen neben ihr auf.

  »Kommt aufs Gleiche raus. Hier!« Ich strecke ihr den Blumenstrauß entgegen, den sie mit beiden Händen umfasst und instinktiv daran riecht.

  »Mhm … Sonnenblumen. Danke, Roxy.«

  »Nun gib sie schon an Blake weiter. Hey übrigens«, begrüße ich ihn mit einem freudigen Kopfnicken und stupse Logan auffordernd an, der skeptisch in die Wohnung linst, aber meine Geste knapp wiederholt.

  »Hallo ihr zwei.« Blake beobachtet uns amüsiert.

  Ich warte demonstrativ ungeduldig, bis er viel zu langsam für meinen Geschmack die Blumen entgegennimmt, und überreiche den Bilderrahmen.

  »Was ist das?«, fragt Ally und reißt das Papier auf.

  Ich knie mich neben Rookie, kraule seinen Bauch und beobachte sie. Ihre Augen werden größer, dann lacht sie laut auf. »O mein Gott!«

  Blake reckt das Kinn und mustert das Bild. »Ein Foto von uns beiden.« Er sieht fragend zwischen Ally und mir hin und her. »Was ist daran so witzig?«

  »Es ist ein Bild von euch beiden in einem goldenen Rahmen«, präzisiere ich, als wüsste er, worauf ich anspiele. Natürlich tut er das nicht, doch Ally wischt sich bereits die Tränen aus den Augenwinkeln.

  »Gott, Roxy. Ich habe gedacht, es hängt gegenüber dem Badezimmer, damit du es jederzeit betrachten kannst.«

  »Ich verstehe nicht?«, meldet sich Logan zu Wort, der seine Hände nun selbstsicher in die Hosentaschen geschoben hat. »Ist es wirklich das Bild, was dort hing?«

  Ich nicke triumphierend und stehe auf. »Jap. Es gehört nun einfach hierhin.«

  Ally bedenkt mich mit einem liebevollen Blick und formt lautlos das Wort ›Dankeschön‹. Gefühlt war es erst gestern, dass sie mir erzählt hat, was Blake in ihr auslöst. Ich hatte die Idee, eine Wall of Fame ins Leben zu rufen. Bilder von Stars, die es in unsere Wohnung geschafft haben und die, die sogar im Bett landen, sollten einen goldenen Rahmen bekommen.

  »Das ist aber nicht alles. Okay, für euch beide schon«, ich sehe erst Ally und Blake an, dann hinunter zu Rookie, »für dich habe ich noch eine Überraschung!«

  »Oje«, nuschelt Ally und gibt den Weg frei, damit wir in die bereits volle Wohnung eintreten können. Die Einweihungsparty zu ihrem Einzug bei Blake vor einigen Wochen ist im vollen Gange und ich lächle angesichts der Menge an Gästen. Die Zeit, in der Ally sich mit Händen und Füßen gegen solch eine Ansammlung in unserer WG gewehrt hätte, ist noch nicht so lange her.

  Logan schiebt das letzte Geschenk über die Türschwelle und legt es dann mit der Schleife nach oben auf den Boden. Ich bücke mich wieder, fordere mühelos Rookies Aufmerksamkeit und klopfe auf das braune Packpapier. Augenblicklich stürzt er sich darauf, beißt hinein und kratzt mit seinen Pfoten. Fetzen fliegen umher und immer mehr des weichen Inhalts kommt zum Vorschein.

  »Du hast es echt gekauft?«, fragt Blake und lacht.

  »Natürlich!«, entgegne ich und helfe Rookie, den Rest auszupacken. Ich hatte es durch Zufall in einem Dogshop, an dem ich vorbeigelaufen war, entdeckt. Ein graues Hundebett, das verspricht, wie auf einer Wolke zu schlafen und mit dem Namen des Vierbeiners bestickt wird. Ally habe ich ein Foto davon geschickt und gefragt, ob das nicht etwas für Rookie wäre. Blake war der Meinung, dass ihr Hund ein Kerl und kein Weichei sei, Ally ließ hingegen durchblicken, dass sein altes zwar genüge, es dennoch einfach traumhaft aussähe. Grinsend beobachte ich Rookie, der es aufgeregt erkundet. Er dreht sich einige Male im Kreis und legt sich schließlich der Länge nach hin. Ein zufriedenes Schwanzwedeln und ein Blick, der besagt, dass er absolut meiner Meinung ist.

  »Siehst du! Ich wusste, es gefällt ihm«, sage ich und stelle mich neben Logan, der zustimmend murmelt und besitzergreifend seinen Arm auf meine Schultern legt. Seine Hand baumelt förmlich vor meiner Brust, berührt mich aber nicht oder streicht darüber. Ich versteife mich für einen Augenblick, schlucke die wiederkehrenden Gedanken herunter, dass diese Umarmung nichts mit Liebe zu tun hat. Sie ist einzig und allein eine Demonstration seiner Besitzansprüche, als wäre ich ein schicker Füller auf seinem Schreibtisch.

  Herrgott! Hör auf, so zu denken. Du hast ihm eine weitere Chance gegeben, weil du ihn liebst, tadele ich mich und lasse mich gegen ihn sinken.

  Blake streckt Logan die Hand entgegen und lächelt freundlich. »Hey. Wird Zeit, dass wir uns auch mal richtig kennenlernen und nicht nur im Vorbeigehen.«

  Logan nickt, ergreift seine Hand, ohne mich loszulassen, und räuspert sich. Sein Lächeln ist unecht, ich erkenne den Argwohn, der in seinen Augen aufblitzt. Mein Blick huscht zu Ally und ich verziehe entschuldigend das Gesicht. Kaum merklich nickt sie, als wolle sie sagen, dass es schon wird und ich wünschte, ich könnte es glauben.

  »Nun kommt endlich rein«, sagt sie und schiebt sich an mir vorbei, um die Tür zu schließen.

  Blake greift nach den Unmengen Verpackungszeug und wird augenblicklich von dem Schäferhund umgarnt, der Gefallen an dem knisternden Haufen gefunden hat.

  »Rookie!«, ruft er lachend, zerrt mit ihm um die Wette am Papier und sieht Ally an.

  »Du wirst verlieren, gib einfach direkt auf.« Sie bückt sich, presst einige Papierreste zusammen und wedelt damit vor Rookie herum, der augenblicklich darauf anspringt und seine neue Beute hüpfend davonträgt. »Ablenkung, Blake. Ablenkung«, sagt sie grinsend und starrt auf das Hundebett hinunter. »Das bringen wir am besten ins Schlafzimmer. Im Wohnzimmer ist es im Moment zu voll.«

  »Ich helfe dir«, biete ich an, ehe Blake antwortet. Ich sehe dieses verheißungsvolle Funkeln in seinen Augen und wie er sie zusammenkneift, als er mich ansieht. Frech strecke ich ihm die Zunge heraus, hebe mit Ally das Hundebett hoch und gehe an ihm vorbei. »Es sind nur ein paar Stunden, die du die Finger von ihr lassen musst. Das wirst du schaffen, oder?«

   Er knurrt spielerisch, was Ally auflachen lässt. Ich werfe noch einen Blick zu Logan, der meinen fast schon mahnend erwidert, dann folgt er Blake. Mit erhobenem Kinn.

 Ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Magengegend breitet sich aus und zum ersten Mal schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass es ein Fehler gewesen ist, ihn mitzunehmen.

  »Er ist nicht begeistert, hier zu sein, oder?«, fragt Ally, als wir das Wohnzimmer durchqueren.

  »Nicht wirklich«, murmle ich und lasse meinen Blick über die Gäste schweifen. Einige Leute kenne ich noch nicht, andere meine ich damals bei Coles Geburtstagsparty gesehen zu haben. Doch da sind auch ein paar bekannte Gesichter. Allys Arbeitskollegen, ihr Boss Jeff, der gleichzeitig so etwas wie ihr Ersatzvater ist, mit seiner Frau, Blakes Eltern und natürlich Rowan, Ezra, Liam und Cole.

  »Sind mehr, als ich erwartet habe«, sage ich zu Ally und sehe sie an.

  Sie kneift die Augen zusammen, schüttelt kurz den Kopf und seufzt. Themenwechsel. Und wieder einmal lässt sie ihn mir durchgehen. Wie so oft, wenn es um Logan geht. Ich weiß, dass er nicht perfekt ist, dass unsere Beziehung alles andere als das ist und sie sich etwas Besseres für mich wünscht. Es ist ein ewiges Hin und Her mit ihm und mir. Ein Kampf zwischen Eifersucht und Harmonie, Einengen und Geborgenheit. Wie oft hat er versprochen, an seinem Vertrauen mir gegenüber zu arbeiten, es zu stärken und loszulassen? Nie habe ich ihm einen Anlass gegeben, nie mit jemandem geflirtet, wenn wir ein Paar waren. Es sind Chancen, die ich immer und immer wieder vergebe, Hoffnungen, an die ich mich klammere, dass es besser wird und doch wächst in mir das Gefühl, allein für etwas zu kämpfen, für das es niemals ein Happy End geben wird.

  »Blake wollte es eigentlich klein halten, aber er kam von Steinchen auf Stöckchen und die Liste wurde länger und länger.«

  »Du genießt es, oder?«, frage ich und spiele auf ihre Vergangenheit an, in der sie stets darauf bedacht war, im Hintergrund zu bleiben, immer die Unsichtbare in einem Raum voller Menschen zu sein. Wir erreichen das Schlafzimmer und lassen das Monstrum von Flauschkissen auf den Boden fallen.

  Ally nickt. »Es ist merkwürdig, oder?«

  Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, den ich mühsam hinunterschlucke. Keine Tränen, nicht heute, sosehr sie auch von Glück getränkt sind. »Ganz und gar nicht.« Ich ziehe sie in meine Arme. »Du ahnst nicht, wie schön es ist, dich auf diese Weise zu sehen.«

  Sie erwidert die Umarmung, gibt mir einen Kuss auf die Wange und löst sich von mir. »Genug von mir. Wir reden jetzt Klartext. Was ist mit Logan?«

  Ich seufze theatralisch und verdrehe die Augen. »Du lässt mich nicht von der Angel, oder?«

  Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Nicht heute. Du kannst es nicht immer herunterschlucken und vortäuschen, dass bei euch alles in Ordnung ist, Roxy.«

  »Heute würde ich es aber gern. Es geht um dich und Blake. Nicht um mich.«

  Ihr Blick wird weicher. »Es geht immer um uns beide, schon vergessen? Wir zwei gegen den Rest der Welt. Also. Was ist los?«

  Einen Moment lang sehe ich sie an, bevor ich rede. »Wo soll ich anfangen? Du weißt, dass wir wieder einmal geredet haben und er mir versprochen hat, seine Eifersucht in den Griff zu bekommen. Ich habe ihm natürlich eine weitere Chance gegeben und bis vor wenigen Stunden lief es auch echt gut. Er war nett, zuvorkommend, liebevoll, hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Blumen, romantische Abendessen, er hat sogar selbst gekocht.« Seufzend halte ich inne und merke, wie sich eine Anspannung in mir löst, die ich nicht bewusst wahrgenommen habe. »Aber seit ich meine Klamotten durchforstet habe, ist er wieder so bestimmend. Ihm passt die Hose nicht, weil sie angeblich meinen Po zu sehr betont, die Corsage ist zu eng und freizügig und das Make-up zu aufdringlich.«

  Sie mustert mich eingehend. »Die Brüste sind verdeckt, dein Bauch schaut nicht heraus, es ist weiß und blickdicht. Ziemlich züchtig für dich, wenn du mich fragst.«

  Nickend streiche ich über die zarten Raffungen an der Taille, die sich rund um die Corsage winden und sie elegant und verspielt zugleich wirken lässt. »Sieht er ein klein wenig anders. Du kennst seine Einstellung. Er hat die Rollkragen- und Schlabberhosen-Kombi viel lieber. Zumindest in Gegenwart anderer. Zu Hause ist es ihm egal.«

  Sie seufzt mitfühlend, doch ich schüttle den Kopf. Genau dieses Thema hat wiederholt zu kurzzeitigen Trennungen geführt. Das und die Tatsache, dass er mir nicht vertraut und seine Eifersucht ins Unermessliche wächst. Aber da sind auch die Momente, in denen er mich an sich zieht und küsst. Liebevolle Blicke und Berührungen. Worte, Gesten, Augenblicke, die mich solche Dinge wie jetzt vergessen lassen.

  »Dass wir dann ausgerechnet heute in die Höhle der sexgeilen Rockstars eingeladen sind, setzt dem Ganzen die Krone auf.«

  Jetzt lacht sie. »Er ist immer noch der Meinung, dass die Jungs das Bad Boy Klischee eines Rockstars bedienen?«

  Theatralisch verdrehe ich die Augen. »Er hat es nicht noch einmal gesagt, aber seine Kommentare, seit wir das Gebäude betreten haben, und die Art, wie er mich vorhin in den Arm genommen hat, lassen keinen anderen Schluss zu.«

  »Oje. Kann ich irgendwas tun?«, fragt sie, obwohl sie weiß, dass es nichts bringen würde.

  »Ich hoffe einfach, dass Blake, Liam, Ezra und Cole ihn vom Gegenteil überzeugen können.«

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Kapitel 2

 

Cole

 

»Es wundert mich, dass Ez die Musik bis jetzt nicht lauter gedreht hat«, bemerkt Liam, als ich mich neben ihm auf einen Loungesessel der Dachterrasse fallen lasse. Der Heizstrahler in der Ecke verdrängt die Kühle der Nachtluft, dennoch hat Ally vor einer Stunde Decken auf die Rückenlehnen gelegt. Ich ignoriere sie.

  »Das traut er sich nicht, solange Blakes Eltern da sind. Elaine würde ihm die Ohren lang ziehen«, gebe ich zurück, halte die Flasche mit meinem Bier in die Höhe und warte, bis er mit seiner dagegen stößt.

  »Ich glaube eher, das liegt an der geballten Ladung Roro und Ally, die ihm bereits zweimal das Control Pad aus der Hand gerissen haben.« Mein Bruder blickt hinter sich zurück ins Innere der Wohnung und grinst. »Und allem Anschein nach hat Roro es ihm gerade erneut aus den Fingern gezogen. Jap. Offensichtlich. Er kommt.«

  Erwartungsvoll blicke ich neben mich zur Tür, in der kurz darauf Ezra erscheint und sich mit einem Stöhnen uns gegenübersetzt.

  »Du gibst auf?«, stichelt Liam, was mich glucksen lässt.

  Amüsiert trinke ich einen Schluck und beobachte Ezra, der die Augen verdreht.

  »Als ob ich aufgeben würde. Aber ich muss gestehen, dass Rowan das ein oder andere gute Argument auf Lager hat, damit ich die Finger von der Anlage lasse.«

  Ich verschlucke mich beinahe. »Die führst du bitte nicht im Detail aus, okay?«

  Sein süffisantes Grinsen ist Antwort genug. Plötzlich weiten sich seine Augen und er fixiert einen Punkt hinter mir im Inneren der Wohnung. »Habe ich vorhin doch richtig gesehen und gehört. Jetzt wird es interessant.«

  Liam folgt seinem Blick und auch er gibt ein belustigtes Geräusch von sich, sodass ich neugierig werde und mich umdrehe. Es dauert einen Moment, ehe ich die blonde Mähne ausmachen und einen Blick auf Roxy werfen kann. Holy Shit. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen, genau genommen zum letzten Mal bei unserem Tourauftakt vor knapp zwei Monaten und dennoch regt sich etwas in mir. Sie ist genauso heiß wie in meinen Erinnerungen und ich bin mir sicher, dass sie sich dessen bewusst ist. Ihre Bewegungen sind grazil, selbstbewusst, ihr schulterfreies Oberteil liegt eng an und betont jede Rundung, die weite Hose steht ihr und lässt keinen Raum für Spekulationen.

  »Ist das Sabber an deinem Mundwinkel? Liam, fängt er an zu sabbern?«, fragt Ezra.

  Liam beugt sich zu mir, neigt seinen Kopf abwägend von der einen Seite zur anderen und nimmt mich genauer in Augenschein. Kurz darauf nickt er bedächtig. »Du hast recht. Er sabbert.«

  »Euer Ernst?«, frage ich und lege die Hand an Liams Stirn, um ihn zurückzuschieben.

  »Lass das bloß nicht Roro sehen, die wartet nur auf den Moment, in dem du einer Frau hinterherhechelst. Schon vergessen?«

  Gerade, als ich mich von Roxy abwenden und ihm eines der Kissen entgegenwerfen möchte, halte ich inne. Ein dunkelhaariger Typ schiebt sich neben sie und legt einen Arm auf ihre Schultern. Das ist kein in-den-Arm nehmen, sondern eine Geste, die ich auch bei den Jungs jederzeit machen würde. Kaum merklich zieht er sie an sich, was Roxy für den Bruchteil einer Sekunde ins Straucheln bringt. Es kümmert ihn nicht. Im Gegenteil, fast schon beiläufig tritt er näher an sie heran, doch die Art, wie er es macht, lässt mich fassungslos den Kopf schütteln. Was ist das für ein Idiot? Da sind keine Fürsorge oder Respekt in seiner Geste. Er will ganz offensichtlich deutlich machen, zu wem sie gehört.

  Doch warum? Wir wussten alle, dass sie mit ihrem Freund hier auftauchen wird und selbst wenn, es gibt aussagekräftigere Gesten als diese. Die Hand an ihrer Taille zum Beispiel, ein Kuss auf die Schläfe, ein langsames Streichen des Daumens über ihre Haut. All das sind subtile Hinweise, die jedem anderen Kerl im Raum deutlich sagen, dass sie die Finger von ihr lassen sollen. Was dieser Typ da vorführt, ist pures Machogehabe.

  »Bitte sag mir, dass das nicht ihr Freund ist«, stoße ich aus.

  »Darf ich vorstellen, das ist Logan Lancaster«, höre ich Blakes Stimme hinter mir. Er hat gerade die Dachterrasse betreten.

  Ruckartig fahre ich herum. Erwartungsvoll setzt er sich neben Ezra und mustert mich mit der gleichen Belustigung wie die anderen beiden.

  »Wenn ich Allys Miene richtig deute, kann sie ihn nicht sonderlich gut leiden«, wirft Liam schließlich ein.

  Ich sehe zurück zu Roxy und Ally, die ihr gegenübersteht und Logans Verhalten mit leicht hochgezogenen Brauen verfolgt. »Da muss ich Löckchen leider zustimmen. Ich auch nicht.«

  Blake hüstelt. »Du kennst ihn doch gar nicht.«

  »Brauche ich auch nicht. Ich rieche Idioten auf zehn Meilen Entfernung. Und der da stinkt gewaltig.«

  »Jap. Bin ganz bei dir.« Ezra räuspert sich.

  »Das sagst du nur, weil du einen Zehner gesetzt hast, dass mein Bruder nicht aufhören wird, Roxy anzuschmachten«, wirft Liam ein.

  Ich verdrehe die Augen, kann aber nichts gegen mein Schmunzeln tun. Dieses Spiel habe ich selbst lang genug bei Ezra mitgemacht, also geschieht es mir wohl recht.

  »Ich habe dir gesagt, du sollst die Finger von ihr lassen«, sagt Blake mahnend.

  Mit gehobenen Händen sehe ich ihn an. »Ich habe sie nicht angefasst.«

  »In deinem Kopf hast du sie ausgezogen und nackt unter dir gesehen«, stichelt er.

  Grinsend lehne ich mich zurück, den Arm auf der Rückenlehne, das Bier in meiner Hand auf meinem Oberschenkel. »Ich reagiere nur, Blake. Sie hat mit mir geflirtet.«

  Liam hüstelt und trinkt einen Schluck aus seiner Flasche, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Da war sie von ihm getrennt.«

  Blake lehnt sich vor. »Lass deinen Kumpel in der Hose und benimm dich, okay?«

  »Dann dürfte ja alles klar sein. Gegen ein wenig Fremdflirten spricht doch nichts, oder?«

  Ezra nickt erst zustimmend, runzelt kurz darauf die Stirn und sieht uns der Reihe nach entsetzt an. »Fuck, nein! Wenn Roro mit einem anderen flirtet, könnte sie sich auf was gefasst machen!«

  Für den Bruchteil einer Sekunde herrscht ungläubiges Schweigen, dann brechen wir in schallendes Gelächter aus.

  »Wow! Ich hätte niemals gedacht, dass das solche Ausmaße annimmt.« Kopfschüttelnd klatsche ich Liam ab.

  Ezra seufzt zufrieden. »Blake weiß, wovon ich rede. Wenn dieser Amor-Pfeil dich einmal erwischt hat – und glaub mir, ich habe alles getan, um mich vor ihm zu verstecken –, kriechst du lieber zu Kreuze, ehe du einer anderen Frau hinterher siehst.«

  Blake nickt übertrieben, klatscht sich nun mit Ezra ab und funkelt mich herausfordernd an.

  Ich kneife die Augen zusammen und lasse die Gedanken zu, die sich in mir festigen. Fremdflirten … Wenn es schon Ezra zuwider ist, und er seine Playboy-Allüren gänzlich ablegt, warum hat Roxy mit mir derart auf meiner Geburtstagsparty und den beiden Konzerten geflirtet, selbst wenn sie von ihm kurzzeitig getrennt war? Lasse ich sie vielleicht nicht so kalt, wie sie vorgibt?

  Blakes Augen werden größer, dann beginnt er langsam seinen Kopf hin und her zu bewegen, bis er ihn mit einem Seufzen nach vorn fallen lässt. »Dein Ernst?«, fragt er als Antwort auf meinen unausgesprochenen Plan. »Dir ist klar, worauf du dich einlässt, falls das Ganze nach hinten losgeht, oder?«

  Ich sehe zu Roxy und begegne ihren dunklen Augen. Ein Lächeln legt sich auf ihre Lippen, als sie meinen Blick bemerkt. Ich wende mich nicht ab, erwidere ihre Geste und nicke schließlich. »Und wie mir das klar ist.«

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